Projekt RAK1 – oder die Story vom Nachbau eines Raketenfliegers
Das Projekt:
Die RAK1 war das erste richtig geflogene Flugzeug mit Raketenantrieb der Welt. Der Erstflug fand am 17.9.1929 statt. Der Konstrukteur, Erbauer und Pilot war der Mannheimer Julius Hatry.
Anlässlich des nahenden siebzigsten Jahrestages vom Erstflug der legendären RAK 1, gründete der Badisch-Pfälzische Modellflugsportverein Mannheim e.V. unter der Schirmherrschaft von Julius Hatry Anfang 1999 eine Projektgruppe, mit dem Ziel, einen mit Raketen angetriebenen, flugfähigen Nachbau der RAK1 zu erstellen.
Die Originalpläne wurden dafür von Julius Hatry zur Verfügung gestellt.
Die konstruktiven Rahmenbedingungen sollten sein:
- Nachbau im Maßstab 1:4 mit einer Tragflächenspannweite von 280cm.
- Es sollte soviel wie möglich vom Originalplan übernommen werden.
- Abfluggewicht des fertigen Modells ca. 3,5 kg.
- Eine Auslegung der Flugfestigkeit von 10g, das entspricht dem 10-fachen Modellgewicht, welches bei verschiedenen Flugzuständen durchaus erreicht werden kann. Das heißt, das Fluggewicht entspricht dann 35 kg.
Folgende Kompromisse mussten eingegangen werden:
- Flugzeugsperrholz wurde zum größten Teil durch Balsaholz ersetzt.
- Leichte Aluminiumteile statt Stahlbeschlagteile.
- Aluminiumrohre wurden in hochfeste Kohlefaserrohre getauscht.
- Der Holzrumpf bekam eine Beschichtung aus mit Glasfasern verstärktem Kunststoff.
- Die Kufe besteht nicht aus Eschenholz sondern aus glasfaserverstärktem Kunststoff.
- Das dicke Göttinger-Tragflächenprofil war für den Modellflug ungeeignet. Es wurde daher durch ein ähnliches Epplerprofil ersetzt, was wiederum zur Folge hatte, dass die zwei kraftaufnehmenden Holme in der Tragfläche leicht versetzt werden mussten.
- Die Tragflächenbefestigung sollte mit Kunststoffschnellverschlüssen und mit Federstahlbändern erfolgen um damit auch die Haupttragflächenlast aufzunehmen. Im Original war dies ausschließlich durch vier zwischen Rumpf und Tragfläche montierte Stützstreben realisiert.
- Das Höhenleitwerk wurde etwas dünner als das Originale ausgeführt.
- Alle Ruder sollten wartungsoptimiert ausgelegt und mit verdeckten Spalten ausgeführt werden. Eine Ausführung wie im Original ließ sich wegen den Platzverhältnissen schlecht verwirklichen, wäre auch nicht so stabil und könnte unter Umständen zu Ruderflattern führen, was einen Absturz zur Folge hätte.
- Die Anlenkung der Ruder erfolgte nicht über Seile, sondern mit kleinen Rudermaschinen direkt vor den Rudern.
- Als Bespannung wurde reißfeste Nylongewebefolie gewählt und nicht Leinen wie beim Original.
Alle Modifikationen wurden mit Julius Hatry durchgesprochen und von ihm für gut und angemessen befunden.
Die Verwirklichung:
Nachdem das Konzept stand, wurden die Originalpläne überarbeitet, Detailzeichnungen und Skizzen angefertigt, Festigkeitsberechnungen durchgeführt und Stücklisten zusammengestellt. Mit diesen Stücklisten konnte nun eine Art Baukasten mit allen erforderlichen Einzelteilen erstellt werden.
Alleine die Vorarbeiten verschlangen bis Anfang 2000 ein ganzes Jahr.
Nun konnte der Zusammenbau der RAK 1 beginnen.
Das Verkleben der Spanten, Holme und Beplankungen erfolgte in traditioneller Weise mit Weißleim auf einer Helling unter Zuhilfenahme verschiedenster Spann- Preß- und Heftwerkzeuge.
Die hölzernen Formteile wurden durch Wässern bzw. Dämpfen und anschließendes Spannen und Trocknen entsprechend in Form gebracht.
Nach ca. 1 ½ Jahren Bauzeit (August 2001) war der Rohbau der RAK1 zu ca. 80% fertiggestellt. Die Restarbeiten zogen sich dann doch noch bis in das Frühjahr 2003 hin.
Die Flugerprobung:
Um herauszufinden, wie denn die RAK sich wohl in der Luft verhalten würde und wie groß die Ruderausschläge sein müssten, wurden im Frühjahr 2003 erste aerodynamische Tests durchgeführt.
Hierzu wurde die Fernsteuerung provisorisch eingebaut und die RAK in ein Cabriolet verfrachtet. Eine Person bediente die Fernsteuerung, die zweite Person hob die RAK1 in den Fahrtwind und die dritte Person saß am Autosteuer und durfte gehörig Gas auf dem Zufahrtsweg zu unserem Fluggelände geben.
Zuerst wurde getestet, ab welcher Geschwindigkeit die RAK „weich„ wurde, also anfing ihr Eigengewicht zu tragen. Dies war schon bei ca. 45 km/h erreicht. Die nächste Überprüfung galt der Ruderwirksamkeit bei 45 km/h. Die Ruderausschläge konnten so optimal festgelegt werden. Die Testfahrten, die sich einen ganzen Nachmittag hinzogen, waren damit abgeschlossen.
Nun stand ein Rutschtest hinter einer Elektro-Schleppmaschine auf unserer Graspiste auf dem Programm. Die RAK sollte nämlich damit auf Höhe gebracht werden, um dort die anstehenden Flugversuche durchzuführen. Es war aber auch angedacht den Raketenflieger als normaler Segler einzusetzen.
Die RAK wurde also bei optimalen Wetterverhältnissen hinter die Schleppmaschine gesetzt. Die Schleppmaschine gab Vollgas und bevor wir es richtig registrieren konnten, war nach ca. 5 m die RAK frei und nach weiteren 10 m auch die Schleppmaschine. Da die Seil-Auslösevorrichtung bei der RAK noch nicht installiert war (die Fernsteuerung war ja noch nicht fertig eingebaut), war der Raketenflieger förmlich hinter der Schleppmaschine gefangen und in einen flachen Steigflug übergegangen. Dabei wollten wir nur einen Rutschtest auf unserer Graspiste machen.
Erschwerend kam hinzu, dass der Flugzeugschwerpunkt noch nicht 100 %ig stimmte.
Nun ja, die RAK war jetzt erst einmal in der Luft und flog.
In einer großen Linksschleife konnte man sehen, dass das Schleppgespann langsamer wurde und die Schleppmaschine zuletzt höher flog als die RAK. Das Gespann wurde immer langsamer und gewann auch keine Höhe mehr.
Um nicht die RAK und die Schleppmaschine zu gefährden, löste der Pilot der Schleppmaschine die Seilverbindung.
Fast augenblicklich geriet danach die RAK in einen überzogenen Flugzustand, aus diesem sie nicht mehr herauszubekommen war. Aus ca. 15 m Höhe stürzte die RAK in einer steilen Spirale zu Boden.
Jetzt waren die Gesichter bei allen Anwesenden natürlich ziemlich lange. Niedergeschlagenheit lag in der Luft.
Aber wie groß war dann doch die Freude, als wir an der Einschlagstelle waren. Die Maschine hat sich zwar komplett zerlegt, aber nur da, wo sie sowieso mit Nylonschrauben zusammengeschraubt war.
Ein kleiner Riß in der Beplankung der Tragfläche, eine abgerissene Klebeverbindung einer Strebe und defekte Getriebe von Rudermaschinen waren zu beklagen, aber sonst war die RAK in einwandfreiem Zustand.
Die Zeit verstrich und der nächste Schleppversuch stand im Spätjahr 2003 an. Nun sollte zum zweiten Mal die Gleitflugeigenschaft der RAK getestet werden. Nunmehr war der Raketenflieger in einem einwandfreien Zustand, die Fernsteuerung richtig eingebaut und der Schwerpunkt am Modell stimmte. Nach ca. 15 m war die RAK diesmal frei, die Schleppmaschine nach weiteren 15m. In ca. 2m Höhe wurde der Raketenflieger ausgeklinkt und machte einen ca. 40 m langen Gleitflug. Dabei ließ sich der Segler sehr gut steuern und war dabei völlig unkompliziert.
Dieser Test wurde drei mal mit dem gleichen Ergebnis wiederholt.
Im Sommer 2004 sollte dann der entscheidende, große F-Schlepp mit der RAK 1 durchgeführt werden. Durch Probleme an der Elektro-Schleppmaschine wurde dieses Vorhaben allerdings abgebrochen und vertagt. Die Motorleistung reichte zum Beschleunigung nicht aus. Es schien, als ob der Elektromotor defekt, oder die Akkus zu schwach wären. Der Elektroschlepper sollte daher überholt werden.
Es verging viel Zeit, aber in 2009 fand der lange überfällige F-Schlepp der RAK statt. Mit neuer, besser motorisierter Schleppmaschine.
Hier ein Video von einem Schleppflug:
RAK-Schleppflug (ca. 11 MB)
Ausblick:
Nach wie vor wird geliebäugelt die RAK1, genauso wie das Original, mit Feststoffraketen auszurüsten. Bevor der Nachbau aber wirklich mit Raketen angetrieben abheben kann, müssen noch einige luft- und ordnungsrechtliche, sowie versicherungstechnische Fragen geklärt sein.
Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg.
Die RAK1-Jahrtausend-Story geht also weiter.
Unser Ehrenmitglied im Badisch-Pfälzischen-Modellflugsportverein Mannheim e.V. und Schirmherr für den Nachbau, Julius Hatry, konnte diese Entwicklung leider nicht begleiten. Er verstarb im November 2000.
Ein weiteres Mitglied im Verein und der Projektgruppe konnte dies ebenfalls nicht. Hugo Schmidt, der Mann, der die Teile für den Baukasten so penibel ausgeschnitten hatte und ein Antreiber der Projektgruppe war, verstarb ebenfalls im November 2000.
Beide Persönlichkeiten, Julius Hatry und Hugo Schmidt, haben sich in unserem Nachbau der RAK1 verewigt.
Autor: Eberhard Fleischmann